Common Sense

von Maja, 25.6.2021

Was bedeutet es eigentlich, ein „Ally” zu sein? Als ich mich dazu bereiterklärte, einen Blogbeitrag zu diesem Thema zu schreiben, teilte ich mit dem OSQAR-Team meine Befürchtung, nichts Lesenswertes zustande zu bringen. Ich fragte in die Runde, ob meine Sicht der Dinge nicht schlichtweg „Common Sense“1 sei.

Mir wurde entgegnet: „Nein, leider nicht. Und genau deswegen solltest du etwas dazu schreiben.“

Mädchen helfen sich über eine Brücke

Während ich vor ein paar Wochen im Internet nach Sommerkleidung suchte, fand sich irgendwann ein T-shirt in meinem Warenkorb, auf dem in schlichten Großbuchstaben „Equal Rights For Others Doesn’t Mean Less Rights For You“2 stand.

Normalerweise bin ich kein Fan von Print-Shirts. Ich stellte mir trotzdem vor, wie ich damit im Namen meiner queeren Freund*innen passiv-aggressiv-aktivistisch durch die Kulisse meines jungen Erwachsenenlebens stolzieren würde. Und so erlangte es mein Interesse.

Doch dann erinnerte ich mich an die Jeans-Jacke, auf welche ich in einem impulsiven Moment einen inspirierenden feministischen Spruch verewigt hatte- und die ich danach nur noch halb so oft anzog. Zugunsten meines ökologischen Fußabdrucks also verzichtete ich auf eine wahrscheinlich nicht sonderlich sinnvolle Investition. Und es überkam mich doch ein kleines schlechtes Gewissen. Sollte ich nicht als Unterstützerin der LGBTQ+ Community „loud and proud“ zu ihr stehen?

Viel fundamentaler stand somit jedoch die Frage im Raum: Was heißt es eigentlich ganz grundsätzlich, ein*e (gute*r) LGBTQ+ Ally zu sein?

Im Anblick der modischen Forderung nach Gleichberechtigung dachte ich zuerst an die vielschichtige Benachteiligung der LGBTQ+ Community. Interessanterweise ist dies jedoch nicht die Gruppe von Menschen, für dessen Rechte der Rest der Welt diesen Spruch viral machte. Stattdessen sollte er zuletzt im Rahmen der „Black Lives Matters“ Bewegung darauf aufmerksam machen, dass die geforderten Änderungen zugunsten benachteiligter Gruppen nicht zu Lasten gegenwärtig privilegierter Personen erfolgt. Die metaphorische Verneinung „It’s not a cake.“3 in manchen Versionen des Statements bekräftigt diese Aussage: Gleichberechtigung ist kein teilbarer Kuchen. Deswegen ist die Angst davor, weniger zu bekommen, wenn anderen mehr zugestanden wird, unberechtigt.

Was ich zuerst mit dem Spruch verband ist deswegen jedoch nicht falsch, sondern offenbart vielmehr etwas über die Natur beider Deutungen. Es handelt sich schließlich um die Forderung nach der Durchsetzung von Menschenrechten. Dafür bedingungslos einstehen – das heißt es meiner Meinung nach, ein*e LGBTQ+ Ally zu sein. Diesem Konzept zu folgen hört sich ja gar nicht so schwer an. Aber auch ein*e mutige*r und gutgesinnte*r Unterstützer*in ist nicht unfehlbar. Deswegen gehört zum Allysein vor allem, sich seines Unwissens bewusst zu sein. Denn letztendlich sind wir nur Außenstehende am Rand einer vielfältigen Gemeinschaft komplexer Menschen, Geschichten und Strukturen, dessen Zugehörige oft selbst von ihr überrascht werden und sich in vielen Dingen nicht einig sind.

Und was macht so richtig gute Allies aus? Ich glaube zumindest nicht primär ihr Potenzial zum supportive Fashion Idol. Gesucht sind stattdessen aufmerksame Zuhörer*innen, Mitträger*innen von Initiativen und Cheerleader*innen von Meilensteinen, nicht nur im Hinblick auf die LGBTQ+ Community. Vielleicht können wir dann ja irgendwann von „Common Sense“ sprechen.


1 „gesunder Menschenverstand“/eine gesellschaftlich viel geteilte oder anerkannte Meinung

2 „Gleichberechtigung für andere resultiert nicht in weniger Rechten für dich“

3 „Es [Gleichberechtigung] ist kein Kuchen.“